Meine Erfahrungen bei der TED Konferenz 2015, Kurier Interview am 5. April 2015

KURIER: Herr Salcher,  die TED-Konferenz ist in Europa nur wenigen ein Begriff. Was macht die Konferenz aus? Kann man TED mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos vergleichen?

Andreas Salcher: Für mich ist  TED, die innovativste und visionärste Konferenz der Welt. Besser als das Weltwirtschaftsforum in Davos, weil bei TED die gesamte Intelligenz der Welt vertreten ist.  Da laufen Google-Chef Larry Page ebenso herum, wie Ex-US-Vize Al Gore, der neben mir saß, oder Amazon Gründer Jeff Bezos. Auf TED treffen kühne technische Visionen auf berührende menschliche Geschichten. Es ist „High Tech und High Touch“.  Roboter und Transhumanismus auf der einen Seite, und auf der anderen Seite Monica Lewinsky  oder ein Pastor, der die Gewalt in einem Ghetto von Boston um 79 Prozent reduziert hat.

Jede Rede darf nur 18 Minuten dauern. Auch Bill Gates hat dieses Jahr auf der Konferenz über Ebola gesprochen.  Wir wirkt der reichste Mann der Welt auf der Bühne?

Ich habe ihn das vierte Mal live gehört. Bill Gates wird zwar nachgesagt, ein schlechter Redner zu sein, aber er besitzt durchaus Witz. Das ergibt sich schon aus der Situation, wenn er auf die Bühne kommt und sagt: „Mein Name ist Bill Gates.“ Da lachen natürlich alle im Publikum. Man spürt auch, dass er sehr happy  ist,  Bill Gates zu sein.  Seine Reden sind sehr pragmatisch, aber ein Bill Gates  braucht dich auch nicht mehr beeindrucken. Er zeigt auf, was die Problemstellung war, welche Schritte unternommen wurden, welche funktioniert haben und welche nicht.

Auf der  TED ließ Gates ein komplettes Ebola-Labor aufbauen, um die Belastungen, die die Ärzte im Schutzanzug ausgesetzt sind zu demonstrieren. Als er erkannte, dass die Ärzte im Schutzanzug 40 Grad Hitze ertragen müssen, ließ sofort wassergekühlte Anzüge von einer Firma entwickeln und produzieren.  In diesem Demo-Labor steht dann Bill Gates persönlich und man kann ihn Fragen stellen. Für die Aufnahme in dieses elitäre Netzwerk muss man ein selektives Auswahlverfahren bestehen und zahlt dann noch 7500 Dollar pro Konferenz.

TED ist dafür bekannt sehr visionäre und teilweise auch Sciene Ficton-Visionen zu präsentieren. welche Vision hat Sie dieses Jahr am meisten beeindruckt?

Das war der Vortrag des   US-Neurowissenschaftler David Eagleman. Er zeigte wie der Mensch seine Wahrnehmungsfähigkeit durch die Nutzung von Rezeptoren im Gehirn so erweitern kann, dass Taube die Welt  durch Vibrationen hören können. Eagleman hat auf der TED eine Weste gezeigt, die über einen iPad mit einer Website verbunden ist, die vibrierende Signale transformiert. Der Taube spürt dann ein Wort anstatt, dass er es hört. Blinde könnten über einen Brainport, der in der Zunge sitzt, sehen. Denn unserem Gehirn ist es egal, woher die Signale kommen. Aber das Potenzial dieser Erfindung liegt nicht nur darin menschliche Defizite zu kompensieren.

Sondern, worin noch?

Im Idealfall könnten wir von jeder Spezies jene Rezeptoren übernehmen, die sie uns voraushaben, z. B. den Geruchssinn von Hunden, die Möglichkeit Magnetfelder für die Navigation zu nutzen von Vögeln oder Ultraschall wie  Fledermäuse wahrzunehmen.  Der Ansatz von Egaleman ist: warum überlassen wir diese Vorteil den Tieren? Ein Pilot bräuchte dann nicht mehr eine Unzahl von Instrumenten sondern könnte alles spüren. Ein Börsenmakler würde die Veränderungen an den Weltbörsen spüren statt sie auf einem Bildschirm zu sehen. In weiterer Folge könnten wir den Gesundheitszustand unseres Körpers selbst überprüfen. Diese Visionen sind einfach umwerfend.

Ist das nicht sehr utopisch?

Wenn man ein blindes Kind hat, wir d man jede Technologie akzeptieren, die das Augenlicht ersetzt. Bei der Debatte, was moralisch vertretbar ist und wie weit man gehen darf, sind wir Europäer  sehr gut. Die Amerikaner debattieren nicht, die probieren einfach aus.  So wie Google das erste selbstfahrende Auto auf den Markt bringen will und mit dem Know how die europäischen Automobilhersteller sicher unter Druck setzen wird.

Google wird BMW, VW oder Toyota den Rang ablaufen?

In 15 Jahren ist das durchaus denkbar. Denn in Zukunft wird die Elektronik das Wichtigste Asset sein. GoogleCars-Direktor Chris Urmson Visison ist es, durch selbstfahrende Autos die 1,2 Millionen Toten die pro Jahr auf der Straße durch Unfälle sterben zu reduzieren. Die selbstfahrenden Autos haben das Potenzial 99 Prozent aller Unfälle zu vermeiden.  Die Entwicklung ist sehr  aufwendig und komplex. Denn Google muss jede mögliche Unfallgefahr, jedes mögliche Hindernis simulieren und dem Computer damit programmieren. Das reicht von der plötzlichen Baustelle bis zum Kind, das überraschend auf die Fahrbahn läuft. Deshalb braucht so ein Auto viel mehr Computerleistung und mehr Sensorik als etwa ein Fahrzeug, das nur auf der Autobahn automatisiert fahren soll. Das ist eine große Herausforderung.

Aber wird der Fahrspaß nicht immer ein wichtiges Verkaufsargument sein?

Tatsache ist aber, viele Fahrten machen keinen besonderen Spaß. Etwa wenn man in einem verstopften Stadtzentrum unterwegs ist und man die Zeit lieber nutzen würde, um sich mit seiner Frau zu unterhalten oder mit seinen Kindern zu spielen.

Auch  Monica Lewinsky war eine der Rednerinnen bei TED. Wie passt Lewinsky auf eine Konferenz, wo man auch Visionen über das Leben am Mars präsentiert hat?

Das habe ich mich vor ihrem Auftritt auch gefragt.  Doch ich habe meine Meinung so wie alle im Auditorium schnell geändert. Man hat völlig verdrängt, dass hinter der „Lewinsky Affäre“ ein lebendiger Mensch gestanden ist, dessen Privatleben 24 Stunden täglich weltweit Gegenstand von gerichtlichen Untersuchungen und Spekulationen war. Noch bevor es die sozialen Netzwerke gab, war sie das erste Opfer von Cyber-Mobbing. Und das war  auch ihr Thema auf der TED.   Lewinsky war ohne Internet weltweit gebrandmarkt als Hure, Schlampe und von Bill Clinton als „that woman“.  Online Mobbing ist heute permanent verfügbar.  Es ist das Geschäft mit der Scham. Scham ist eine Industrie geworden. Je mehr Scham und Schande umso mehr Clicks. Umso mehr Clicks umso mehr Werbung kann verkauft werden. Das zerstört unsere gute Tradition von Mitgefühl. Mit jedem Click trifft man auch eine Entscheidung.

Wenn Sie Europa und USA technologisch vergleichen. Wie weit hinkt Europa hinter den USA hinten nach?

Europa fällt technologisch immer weiter zurück, ohne sich aufzubäumen. Die TED zeigt uns, in welche Richtung die Welt geht, aber Europa hat nichts Vergleichbares dagegen zu setzen. Natürlich hat Europa nach wie vor technische Genies, die gehen nur oft gleich ins Silicon Valley, wo das große Spiel gespielt wird. Und selbst wenn eine Idee in Europa erfolgreich ist, fehlt uns die Marketingkraft um sie weltweit durchzusetzen, das beginnt schon beim mangelnden gemeinsamen Sprachraum.

Das Interview wurde von Ida Metzger geführt.