Interview vom 20. November 2015 im Format geführt von Klaus Puchleitner

Format: Einfache Frage: Welche Note geben Sie der Bildungsreform der Regierung?

Salcher: Ich kann ein Kind nicht danach benoten, was es mir erzählt, das es sich zu lernen vorgenommen hat. Meine Befindlichkeit kann ich Ihnen im nächsten Juni sagen, wenn dann alles tatsächlich zum Beschluss im Parlament ansteht. Vorläufig liegt nicht mehr als eine Punktation auf dem Tisch. Wir haben bei der Bildungsreform schon oft erlebt, dass es einen lauten Startschuss gibt, dem nie ein Rennen folgte. Der vorgelegte Regierungsplan ist zumindest ambitioniert.

Das klingt ja fast nach ein wenig Lob.

Nicht unbedingt. Bei der Bildungsreform gleicht die Regierung einem Schüler, der in den vergangenen Jahren mittelmäßig bis schlecht performt hat und jetzt behauptet, dass er in zehn Jahren super sein wird. Da könnten Eltern antworten: Diese zehn Jahre haben wir leider nicht mehr. Im Regierungspapier stehen durchaus gute Dinge drin. Aber dort, wo es heikel wird, findet man entweder überhaupt nichts oder nur Ausweichendes. Mit dem derzeitigen Lehrerdienstrecht zum Beispiel und mit den vorhandenen Lehrer-Arbeitsplätzen sind diese Reformen nicht machbar. Von einem neuen Lehrerdienstrecht ist im Regierungspapier aber nicht die Rede.

Also das übliche Spiel: Die Regierung legt ein Reformpapier vor und dann verhandeln die einzelnen Interessensgruppen alle Reformen wieder weg?

Ich habe meine Zweifel, dass das nächsten Juni Gesetz wird, was im Reformpapier steht. Zu erwartender Widerstand ist nicht eingerechnet. Da werden sich die die AHS-Lehrergewerkschaft und viele andere noch ordentlich einmischen. Wenn vom Refompaket dann, wie in Österreich üblich, noch viel weggeschnippelt wird, bleibt am Ende wieder nicht viel übrig.

Wie soll die Regierung vorgehen?

In der Wirtschaft heißt es „Die Schnellen fressen die Langsamen“. Im Schulsystem herrschen aber die Langsamen über die Schnellen. Dass man ein Jahr gebraucht hat, um ein Papier zustande zu bringen, in dem die heiklen Dinge wie z. B. die Kosten gar nicht drin sind, ist zu wenig. Daher mein größter Wunsch: Bitte, Gas geben.

Jene zehn Jahre, die Mahrer und Heinisch-Hosek sich für die Evaluierung geben wollen, sind dann wohl auch zu lang?

Wenn Sie ein acht Jahre altes Kind haben und sagen, wenn es in zehn Jahren maturiert ist alles besser, dann werden Sie sich als Elternteil damit wohl nicht zufrieden geben. Überhaupt macht die Regierung das Spiel ohne die Eltern.

Beispiel?

Die Sache mit den Modellregionen: Ich glaube nicht, dass Eltern ihr Kind in eine Schule geben, bei der nicht klar ist, was dort überhaupt genau passiert, und die erst in zehn Jahren evaluiert wird. Die „gemeinsame Schule“ in den Modellregionen gleicht derzeit noch einem Phantom.

Also doch ein „Nicht Genügend“ für die Regierung auf ihre Reform-Schularbeit? 

Das auch wieder nicht. Viele Dinge, die in dem Papier stehen, gehen in die richtige Richuntg. Das Kindergartenpaket ist gut, die Schulautonomie gefällt mir auch, die Sache mit den Bildungsstandards wird uns helfen. Das sind alles gute Zielsetzungen. Die Frage ist wie gesagt, ob das auch tatsächlich so umgesetzt wird.

Finden Sie noch Positives im Vorschlag?

Die Bildungsstiftung für Innovation. Das wird uns Chancen eröffnen unsere endlich Schulen ins digitale Zeitalter zu bringen. Das könnte eine Plattform sein, wo neue Ideen umgesetzt werden, die sonst in Österreich nicht gehen. Sehr positiv ist die Verrechnung der Gehälter aller Lehrer über das Bundesrechenzentrum. Damit bekommt die Bildungsministerin erstmals echte Transparenz bei den Landeslehrern. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, auf den man sich geeinigt hat.

Was ist mit den zusätzlichen Behörden, diesen sogenannten Bildungsdirektionen statt der bisherigen Landesschulräte?

Das ist der erwartbar gewesene Kompromiss. In Wahrheit handelt es sich um den Aufteilungsschlüssel für die Macht zwischen Bund und Ländern. Es wird spannend zu sehen, wie das in der Realität dann aussehen soll. Das könnte darauf hinaus laufen, dass die neuen Bildungsdirektoren Diener zweier Herren sind – der Landeshauptleute und der Bildungsministerin. Das ist keine gute Situation. Eigentlich wären außerdem die Landeshauptleute in Sachen Bildung ja schon jetzt der Ministerin weisungsgebunden. Aber wann immer ein Minister einem Landeshauptmann eine Weisung geben wollte, ist das bis jetzt noch nie gut für den Minister ausgegangen.

Wenn Eltern zu Ihnen kommen und um eine Blaupause für den Bildungsweg Ihres dreijährigen Kindes bitten – was raten Sie?

Bei den entsprechenden finanziellen Möglichkeiten würde ich das Kind in den bestmöglichen Privatkindergarten und danach in die bestmöglichen internationalen Privatschulen geben. Und es dann international studieren lassen. Genau das ermöglichen übrigens viele Spitzenpolitiker unabhängig von ihrer offiziellen Ideologie schon derzeit ihren Kindern. Ich gebe aber auch die Warnung mit: Damit zieht man einen kleinen Weltbürger heran, bei dem die Chance groß ist, dass er Österreich irgendwann verlässt. Dem Land gehen damit viele der besten Köpfe verloren.

Hat unser Bildungssystem aus heutiger Sicht überhaupt noch eine Chance?

Wenn bis Juni die Weichen gut gestellt werden, traue ich uns zu, dass wir ein besseres Bildungssystem bekommen. Wenn wir das nicht schaffen, wird es auch bei uns zu einer Art „Amerikanisierung“ kommen. Wer mehr Geld hat, bekommt die bessere Bildung. Diese Negativszenario müssen wir unbedingt verhindern.