Wie wir uns trotz guter Vorsätze verändern – ob wir wollen oder nicht

Warum daran auch die guten Vorsätze zu Neujahr nichts ändern, wurde auch 2014 wie jedes Jahr in fast allen Medien breitgetreten. Zusammengefasst: Wir scheitern so oft mit unseren guten Vorsätzen, weil unser Glaube, dass wir uns verändern wollen, unseren Willen, uns tatsächlich zu verändern, um ein Vielfaches übersteigt. Wie ein Gummiband werden wir von unseren guten Vorsätzen weg- und zur Selbstsabotage hingezogen. Oder einfacher formuliert leben wir gerne nach der Philosophie: „Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich sofort das Lesen auf.“

Für viel spannender halte ich die Suche nach den Ursachen, warum Menschen sich gar so schwer tun ihr Verhalten auch nur ein bisschen zum Positiven zu verändern. Das Problem ist, dass jene Antworten die uns die Wissenschaft liefert, meist so komplex sind, dass sie für die praktische Anwendung wenig hilfreich sind, und jene Rezepte, die uns Ratgeber und Lebenshilfe-Gurus anbieten, zwar sehr simpel in der Anwendung, aber bei eingeschaltetem „Bullshit Detektor“ schnell als wissenschaftlich unhaltbar identifizierbar sind.

Warum wir uns trotz innerem Schweinhund und Beharrungsvermögen im Laufe unseres Lebens weit stärker verändern als uns das selbst bewusst ist, entschlüsselt Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“. „Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.“ Da wir uns aber freiwillig kaum aus unserer Komfortzone herausbewegen hilft der Weltgeist, durch Krankheit, Jobverlust, Scheidung oder andere unerwartete äußere Einflüsse gerne ein bisschen nach, um uns auf die nächste Stufe zu schubsen. Und siehe da, auf einmal müssen wir liebgewonnene Gewohnheiten aufgeben, Risiken eingehen, Neues lernen. Wir verändern uns nicht weil wir uns das vornehmen oder wollen, sondern weil wir dazu gezwungen werden.

Regelmäßige Selbstreflexion macht unser Leben jeden Tag reicher

Es gibt teure Fitnessmaschinen, die unsere Muskeln durch Vibrationen trainieren, ohne dass wir uns dafür selbst quälen müssen. Die Maschine, die die täglich notwendige Reflexionsarbeit für uns leistet, ist leider noch nicht erfunden. Wenn wir diese Arbeit erst auf- und dann wegschieben, sind die Folgen genauso schlimm als bei der Vernachlässigung unseres Körpers. Es geht daher auch im neuen Jahr um die zwei Prozent, die wir jeden Tag verändern könnten. Wenn wir an den vielen Jahren, die hoffentlich noch vor uns liegen, nur zwei Prozent verändern, dann werden wir tausende Stunden in einer zusätzlichen Qualität erleben. Tausende Stunden lang die Chance, einen Menschen genauer anzuschauen, in einem Gespräch genauer hinzuhören, zu lachen, uns auf die sprudelnde Neugierde eines Kindes einzulassen, einen geliebten Menschen tief zu berühren und vor allem uns selbst näher zu kommen. Es geht nur um diese zwei Prozent, die uns ein anderes, ein reicheres Leben eröffnen könnte: Zeit des Zuhörens, Zeit des Verstehens – Zeit, zu lieben. Nicht der Mangel an Gelegenheiten ist der Hauptgrund, warum so viele Lebensträume einen stillen, fast unbemerkten Tod erleiden, sondern das Übermaß an guten Gründen, warum es nie der richtige Zeitpunkt ist, dem Ruf, es einmal zu wagen, nachzugeben. Die Frage „Was will ich wirklich? wäre ein mutiger Anfang.

Fazit: Am Beginn eines neuen Jahres ist es weitaus produktiver zurückzuschauen als große Pläne für die Zukunft zu entwerfen. Im Zentrum unserer Bilanz sollte jenes Subjekt stehen, das sich in der Vergangenheit sprunghafter und unkalkulierbarer verhalten hat, als wir es je erwartet hätten: Unsere eigene Persönlichkeit. Je genauer wir die Spuren deuten können, die unser bisheriges Leben hinterlassen haben, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die nächste Stufe gut meistern anstatt zu stolpern.